Wechselspannungen und Messung von Wechselspannungen
Ein detaillierter Blick auf die physikalischen Zusammenhänge von Wechselspannungen und deren Messung - ein Gastbeitrag von Johannes Bürglin.
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1. Grundlagen
Da sich
bei einer Wechselspannung und einer pulsierender Gleichspannung die Höhe der Spannung
laufend ändert, gibt es nicht nur einen Spannungswert, sondern drei Werte, die eine größere
Bedeutung haben - das gleiche gilt für die Ströme:
- Gleichrichtwert Ug
Bei pulsierender Gleichspannung wird meistens dieser Wert angegeben. Bei Gleichspannung ist er der Mittelwert. Bei Wechselspannungen ist zunächst der Betrag zu bilden, d.h. die Wechselspannung gleichrichten (die negativen Anteile nach oben klappen). Hiervon wird dann der Mittelwert gebildet. Die meisten Messgeräte zeigen diesen Wert an und er ist z.B. maßgeblich für die Motordrehzahl.
- Effektivwert Ueff
Bei Wechselspannung wird meistens der Effektivwert angegeben. Er ist für die Leistungsberechnung maßgebend oder der Effektivstrom bestimmt beispielsweise, wie warm eine Stromleitung, ein Trafo oder andere Bauteile werden. Messgeräte zeigen meistens den Effektivwert einer Wechselspannung an, wobei bei vielen Messgeräten diese Anzeige nur bei sinusförmiger Wechselspannung / -strom mit etwa 50 Hz stimmt!
- Spitzenwert US (der höchste Wert)
Der Spitzenwert wird seltener verwendet. Maßgebend ist er z.B. für die Spannungsfestigkeit von Halbleitern (wobei bei sinusförmiger Wechselspannung für die zulässige maximale Spannung meistens der Effektivwert angegeben wird). Wird an Netzgeräten mit pulsierender Gleichspannung ein Elko (Glättungskondensator) angeschlossen, dann erreicht die geglättete Spannung diesen Wert – zumindest so lange nur ein geringer Strom fließt.
- Formfaktor kf
Er beschreibt das Verhältnis zwischen Effektivwert und Gleichrichtwert: Ueff = kf * Ug.
Wobei kf ≥ 1 ist.
Es gilt
grundsätzlich: US > Ueff > Ug
(Ausnahme siehe Punkt 2.2, dort gilt US = Ueff = Ug)
2. Umrechnungsfaktoren für ein paar typische Spannungsformen:
2.1 Sinusförmige Spannung
oder
Viele Messgeräte messen nicht tatsächlich den Effektivwert der Wechselspannung,
sondern den Gleichrichtwert (dies ist einfacher). Der Gleichrichtwert wird nun mit dem Formfaktor multipliziert
und als Effektivwert angezeigt. Bei diesen Messgeräten stimmt die
Wechselspannungsanzeige nur bei Sinusform oder vergleichbaren Kurvenformen,
denn der Formfaktor ist für fast jede Kurvenform anders.
2.2 DCC-Gleisspannung (rechteckförmige Wechselspannung {ohne Pause, mit gleicher Höhe})
US = Ueff = Ug
kf = 1
Ein Wechselspannungsmessgerät, das mit Hilfe des
Gleichrichtwertes misst, zeigt hier 11 % zuviel an –
vorausgesetzt, dass es mit der "hohen" DCC-Frequenz zurechtkommt!
2.3 Selectrix-Gleisspannung
Tein = 40 µs
Taus = 10 µs
T = Tein + Taus = 50 µs
das heißt:
Tein / T = 0,8
T / Tein = 1,25
Bei der Sx-Wechselspannung ist das Verhältnis zwischen Effektivwert
und Gleichrichtwert (fast) gleich groß wie bei der Sinusform. D.h. die
Spannungsangabe stimmt, sofern das Messgerät mit der "hohen" Frequenz von 20
kHz zurechtkommt.
2.4 Pulsierende Gleichspannung (und pulsierende rechteckförmige Wechselspannung)
T = Tein + Taus
Ueff ≥ Ug. Bei einem Tastverhältnis T / Tein von 0,8 ist der Formfaktor 1,11, also gleich wie beim Sinus. Ein Messgerät, das im Wechselspannungsbereich mit Hilfe des Gleichrichtwertes misst, zeigt hier den Effektivwert der Spannung an. Bei Tastverhältnissen < 0,8 wird der Formfaktor größer und der angezeigte Wert ist kleiner als der Effektiv¬wert - wenn nicht der tatsächliche Effektivwert angezeigt wird. (Z.B. bei T / Tein = 0,2 wird der Formfaktor zu 2,23 und eben genanntes Messgerät würde nur noch den halben Effektivwert anzeigen).
2.5 Spannung mit beliebiger Kurvenform
Je stärker eine Spannung von der Sinusform abweicht, desto größer wird der Formfaktor und desto mehr weicht die Anzeige vom Effektivwert ab (zu klein), wenn das Messgerät die Wechselspannung mit Hilfe des Gleichrichtwertes misst. (Ausnahme siehe Punkt 2.2 [Rechtecke gleicher Höhe und ohne Pause], hier zeigt das genannte Messgerät 10 % zu viel an.)
Für tiefergehend Interessierte:
Die Effektivspannung Ueff ist die Spannung, die an einem ohmschen Widerstand R die gleiche Energie, also im Mittel die gleiche Leistung P umsetzt wie die zeitlich veränderliche Spannung u(t). Als Formel:
3. Strommessung bei Digital
Die
Zuggeschwindigkeit bei Digital wird nicht über die Höhe der Spannung
eingestellt, sondern durch periodisches Ein- und Ausschalten des Motors durch den Lokdecoder. Dementsprechend
fließt auch ein pulsierender Strom. Solange nur eine Lok ohne Licht unterwegs ist,
können die Formeln der pulsierenden rechteckförmigen Wechselspannung (-Strom)
in etwa benutzt werden. Aber sobald mehrere Loks unterwegs sind oder Wagen mit
Beleuchtung dazu kommen, wird es deutlich komplizierter. Hier hilft nur noch,
den tatsächlichen Effektivwert oder den Gleichrichtwert zu messen.
Manche
Messgeräte (ob analog oder digital) kommen mit der "hohen" Frequenz von etwa 10
kHz bis 20 kHz bei Digital nicht zurecht und zeigen zu wenig an. Bei manchen
Strommessern schwankt die Anzeige, weil sie nicht mit dem periodischen Ein- und
Ausschalten des Stromes zurechtkommen.
Die
Stromaufnahme derselben Lok ist im Analog- und Digitalbetrieb unterschiedlich,
weil im Analogbetrieb der Strom die ganze Zeit fließt, während er bei Digital
pulsiert. Und die Motorspannung ist in Höhe und Form bei beiden Betriebsarten
unterschiedlich.
Mir sind
drei gängige Möglichkeiten der Strommessung bei Digital bekannt:
3.1 AC-Messung:
Kommt das
Messgerät mit dem Wechselstrom des Digitalsignales zurecht, kann der Strom direkt
gemessen werden:
3.2 DC-Messung mit Gleichrichter
In die Zuleitung zum Gleis wird ein Brückengleichrichter eingebaut. Nun fließt durch das Messgerät ein (pulsierender) Gleichstrom. Die meisten Messgeräte kommen damit zurecht. Am Gleichrichter fallen etwa 1,5 V Spannung ab. In vielen Fällen ändert sich dadurch der Strom nur wenig. Als Gleichrichter genügt ein normaler Brückengleichrichter für 50 Hz. Die Spannung spielt keine Rolle, der Strom sollte für eine Lok mindestens 200 mA betragen. Manche ältere Loks benötigen auch schon mal 500 mA. Ich würde um die 1 A wählen – das ist ein Standardwert und beinhaltet genügend Reserve (z.B. 1N4001). Bei beliebiger Anzahl Loks sind die Dioden / Brückengleichrichter entsprechend der Leistungsfähigkeit der Zentrale auszusuchen.
3.3 Strommessung vor der Zentrale
Je nachdem
ob ein Trafo oder ein Gleichspannungsnetzgerät
verwendet wird, ist entsprechend Wechsel- oder Gleichstrom zu messen. Zu
beachten ist, dass die Zentrale selbst Strom benötigt und meistens weitere
Verbraucher an der Zentrale hängen (z.B. Handregler, Weichendekoder,
Rückmelder, …).
Vorgehen:
1. Strom bei ausgeschalteter Gleisspannung messen,
2. Strom mit eingeschalteter
Gleisspannung messen.
Die Differenz fließt großteils zum Gleis, ein kleiner Anteil benötigt der Booster (bzw. die eingebaute Endstufe der Zentrale). Wer es etwas genauer haben will,
lässt die Gleisspannung die ganze Zeit eingeschaltet und unterbricht bei der 1.
Messung die Verbindung zum Gleis.
Diese Art
der Strommessung ist ungenauer als 3.1 oder 3.2, aber trotzdem geeignet für
Vergleichsmessungen zwischen verschiedenen Loks oder Vergleichsmessungen im
Fehlerfalle.
Danke an Johannes Bürglin für die Ausarbeitung
dieses Beitrages.
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