Wissenwertes von Kleinstspurweiten
Ein Bericht von Werner Nagel, abgedruckt in der Zeitschrift "Der
Modelleisenbahner", Ausgabe 1/1965.
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Wissenwertes von Kleinstspurweiten (Werner Nagel, 1965)
Wie wir wissen, hat der VEB Piko Sonneberg eine 9-mm-Miniatureisenbahn
entwickelt. Diese echte Modelleisenbahn-Neuheit hat berechtigtes Aufsehen
erregt und schon auf der Herbstmesse 1964 viele Diskussionen ausgelöst.
Wird sich diese Kleinstminiatureisenbahn durchsetzen? Ist es möglich,
in dieser Kleinheit funktionssicher zu produzieren? Sind die verwendeten
Kleinstmotoren leistungsfähig und robust? Wie ist der internationale
Stand?
All diese Fragen und noch weitere hörte man im Petershof, doch
sie fanden nur teilweise eine befriedigende Antwort.
Bereits 1942/43 wurde auf der Stockholmer Modellschau eine Miniatureisenbahn
mit 5-mm-Spurweite gezeigt. Es war eine Ausstellungsanlage mit manuell
gefertigten Fahrzeugen und Gleisen. Vier Jahre später wurde von
einer 9,6-mm-Bahn berichtet, von der in Schweden produktionsreife Handmuster
einem kleinen Kreis von Fachleuten vorgeführt worden sind. Im
Jahre 1947 erschien dann ein Prospekt der sogenannten Micro-Bahn. Die
technischen Daten waren: M 1:150, 10-mm-Spurweite, Bogenradius 200
mm, 12-V-Gleichstrom.
Auch in Deutschland waren Bestrebungen im Gange, eine betriebsfähige
Miniatureisenbahn zu bauen, die kleinere Abmessungen haben sollte als
die damalige Spur 00, unsere heutige Nenngröße H0. Diese Entwicklungen
gehen bis 1942 zurück. Nach dem 2. Weltkrieg konnten die Entwicklungsarbeiten
aber erst fortgesetzt und beendet werden.
Der Konstrukteur, Prof. Walter Kersting, wählte den Maßstab
1:180 bei 8-mm-Spurweite und stellte hohe Anforderungen an Betriebssicherheit
und technische Ausrüstung. Die Triebfahrzeuge der Nenngröße
"K", nach Kersting genannt, sollten automatisch kuppeln, automatisch
entkuppeln und Lichtwechsel aufweisen. Nach vielen Jahren Entwicklungsarbeit
ist 1948 eine betriebsfähige Anlage der Öffentlichkeit vorgeführt
worden. Mit den Mitteln der modernen Fernmeldetechnik wurden den Triebfahrzeugen
über die beiden Fahrschienen entsprechende Impulse von einem Fahrpult
aus erteilt. Die Triebfahrzeuge zeigten in Fahrtrichtung vorn ein weißes
Spitzensignal und an den hinteren Signallaternen rotes Licht. Sie kuppelten
und entkuppelten an beiden Fahrzeugenden an jedem beliebigen Punkt
des Schienennetzes. Die Anlage war in Blockabschnitten unterteilt,
die Weichen signalabhängig geschaltet und mit Rückmeldung
zum Fahrpult versehen. Aus diesen kurzen Angaben erkennen wir bereits,
daß hier eine Miniatureisenbahn
produziert werden sollte, die einen ausgereiften Betriebsdienst auf kleinsten
Raum ermöglicht hätte. Der Konstrukteur war dem damaligem
Stand der Miniaturbahnprodukten weit voraus. Wahrscheinlich hat aber
der hohe technische Aufwand und die zwangsläufig damit verbundenen
hohen Kosten dazu geführt, daß diese Bahn nicht produziert
wurde.
Dann war es einige Jahre still um die Kleinstspurweiten. Schließlich
kam aus dem klassischen Land der Eisenbahn, aus England, eine 9-mm-Bahn.
Anscheinend hatte man die dort noch übliche Baugröße
EM, Spurweite 18 mm (nach BRMSB-Standards 1950 – früher
statt EM auch 00 bezeichnet) halbiert. Die 9-mm-Bahn wird in England
und Nordamerika mit 000 (Treble 0) bezeichnet. In verhältnismäßig
kurzer Zeit wurde die "Lon-Star-Bahn" ausgebaut. Es gibt
heute schon eine beachtliche Anzahl Triebfahrzeuge und Wagen nach englischen
und nordamerikanischen Vorbildern sowie Figuren, Straßenfahrzeuge
und anderes Zubehör. Nun entsprechen die englischen Fahrzeugtypen
im allgemeinen nicht dem kontinentalen europäischen Geschmack.
So fand sich dann auch bald auf dem europäischen Festland ein
Hersteller einer Kleinst-Miniatureisenbahn, genannt Rapido 200.
Die ersten Ausführungen von 1960 waren ungefähr im Maßstab
1:200 gehalten und die Spurweite betrug etwa 8 mm. Diese Bahn war als
reine Spielzeugeisenbahn gedacht. Dementsprechend waren auch die Gleise
und Weichen einfach gehalten. Der Weichenwinkel betrug etwa 30°.
Die der Öffentlichkeit vorgestellte und in der Fachpresse publizierte
"Rapido-Bahn" fand eine unerwartet große Zustimmung.
So entschloß sich Arnold & Co., die Herstellerfirma der kleinen
Bahn, die als Spielzeugeisenbahn gedachte Entwicklung zu einer Modelleisenbahn
auszubauen. Es wurde ein 9-mm-Modellgleis entwickelt, dazu passende
15°-Weichen,
die einen Gleisabstand von 30 mm erbringen. Für die Fahrzeuge ist
einheitlich der Maßstab 1:160 festgelegt worden. Inzwischen
kam auch ein sinnvolles und reichhaltiges Zubehör hinzu. Zur Internationalen
Spielwarenmesse in Nürnberg 1964 zeigte die Firma Trix eine weitere
9-mm-Bahn mit Gleisen, Triebfahrzeugen und Wagen. Auch die westdeutsche
Modellbahn-Zubehörindustrie zeigte sich der 9-mm-Bahn gegenüber
sehr aufgeschlossen. So werden bereits Figuren, Bahnbauten, Häuser,
Lampen, Signale und anderes angeboten.
Recht erfreulich ist nun für uns, daß sich Piko der internationalen
Entwicklung angeschlossen hat. Jetzt hat jeder Modelleisenbahnfreund auch
bei beschränkten Raumverhältnissen die Möglichkeit, sich
eine Miniatureisenbahnanlage aufzubauen. Und das ist schließlich
der tiefere Sinn der Kleinstspurweiten, jeden Interessenten die Möglichkeit
zu bieten, sich mit dem belehrenden Eisenbahnbetrieb zu beschäftigen.
Dieser kurze Bericht wäre unvollständig, würden nicht
noch Versuche von Bastlern erwähnt, die sich mit Kleinstspurweiten
beschäftigt haben.
So muß eine betriebsfähige Lok (eine T 3!) im Maßstab
1:360, Spurweite 4 mm, erwähnt werden, die auf einem Versuchsgleis
mit 4-V-Gleichstrom lief. Eine weitere Subminiaturlok (eine E10) wurde
im Maßstab 1:240 für 6-mm-Spurweite von einer feinmechanischen
Werkstatt erbaut. Gewiß, dies waren nur Einzelstücke und Versuche.
Es wurde aber der Beweis erbracht, daß mit viel Liebe zur Sache, auch
ausgefallene Ideen verwirklicht werden können.
Mit dem Maßstab 1:180 und 8-mm-Spurweite lässt sich
schon mehr beginnen. Hier gelang es einigen Unentwegten, komplette Anlagen
einschließlich Triebfahrzeuge und Wagen zu bauen, wie unter anderem
auch der Modellbauwettbewerb 1963 zeigte.
Vielleicht haben die Arbeiten dieser Bastler der einschlägigen Industrie
den Anstoß gegeben, auch in dieser Kleinheit eine Serienproduktion
zu wagen.
Die Kleinst-Miniatureisenbahnen werden nicht alle Ansprüche befriedigen
können. So müssen bei einer Serienproduktion viele Details
weggelassen werden, wie Bremsklötze, Handgriffe, Beschriftungen
an Wagen oder die Steuerung bei der Nachbildung von Dampfloktypen.
Für
denjenigen, der den Eisenbahnbetriebsdienst bevorzugt, wird die 9-mm-Bahn
jedoch eine willkommene Bereicherung des Modelleisenbahnmarktes darstellen.
Die 9-mm-Bahn beansprucht nur etwa ein Viertel der Fläche einer
entsprechenden H0-Anlage und etwa zwei Drittel einer entsprechenden TT-Anlage.
Die 9-mm-Bahn wird als Nenngröße "N" bezeichnet.
Diese Festlegung wurde getroffen, weil die Zahl "Neun" in
vielen Sprachen mit "N" beginnt.
Danke an Peter Häse, der diesen interessanten
Artikel in seinem Archiv gefunden hat.
Quelle: Der Modelleisenbahner, Ausgabe 1/1965, mit freundlicher Genehmigung - www.modelleisenbahner.de
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