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THEMA: Personenzüge Epoche I KPEV: Klassen-Verteilung (Zugbildung)?

THEMA: Personenzüge Epoche I KPEV: Klassen-Verteilung (Zugbildung)?
Startbeitrag
Karl Schotter - 25.01.21 20:18
Hallo,

gibt es gesicherte Fakten zum Anteil der jeweiligen Klassen in den Personenzügen der Epoche I ?

Mich interessiert insbesondere der Nah-/Regionalverkehr der KPEV.
Es gab vier Klassen.
Die 1. Klasse war in vielen Zügen gar nicht und in höherwertigen Zügen nur gering vertreten (für "Höhere Herrschaften").
Die 2. (Polster-)Klasse dürfte für das gut verdienende Bürgertum, höhere Beamte usw. gedacht gewesen sein.
Die normale Klasse dürfte die 3. gewesen sein (wie heute die 2., die aus der 3. hervorgegangen ist).
Die 4. Klasse war für die, die sich das Reisen eigentlich nicht leisten konnte, es aus verschiedenen Gründen aber trotzdem tun mussten (z. B. Bäuerinnen mit Traglasten auf dem Weg zum Markt).

Richtig dürfte für einen Personenzug also sein:
Etwas 2. Klasse und reichlich 3. Klasse.
Dass die 4. Klasse überwog, ist mir kaum vorstellbar, da im Kaiserreich die Arbeiterbevölkerung erhebliche Fußwege unternahm bzw. der Arbeit nachzog, um das Geld für den Zug zu sparen (und noch bis in die 1950er fuhren manche im Ruhrgebiet langwierig mit mehreren Straßenbahnunternehmen zur Verwandtschaft, weil das billiger als mit dem Zug war).

Oder sehe ich das alles falsch?

Wieviel 4. Klasse - insbesondere im Vergleich zur 3. Klasse - war also in KPEV-Personenzügen üblich?
Kennt jemand konkrete Zugbildungspläne? Oder Farbgemälde?

Danke für qualifizierte Informationen!

Es grüßt
Karl


Hallo Karl,

ich finde diese Frage auch interessant; sie wird ganz gut in dieser Dissertation behandelt (Seite 137 ff):

https://depositonce.tu-berlin.de/bitstream/11303/4973/2/dahms_peter_paul.pdf

VG Richard
Hallo Karl,
die Dissertation geht nur bis 1860, das war noch weitestgehend ohne 4. Klasse. Die hatten nur ein paar Privatbahnen.
Nach 1900 sah die Sache ganz anders aus:
1. Klasse nur in internationalen bzw. previligierten D-Zügen
Die meisten Züge hatten 2. bis 4. Klasse.
Die Reihenfolge der Wagen war grob folgenderweise:
Mitte des Zuges die 2. Klasse, je nach Verkehrsaufkommen genügte auch ein Halber Wagen, z.B. BCi
rechts und links von der 2. Klasse folgte die 3. Klasse und  am Schluß und/ oder Anfang die 4. Klasse.
Es gab natürlich auch Personenzüge nur mit 3. und 4. Klasse, das waren Vorortzüge oder Züge in "armen Provinzen", z.B. in Ostpreußen. Da kam es schon Mal vor, wenn der Fürst Gutsbesitzer auf Reisen ging, dass er seine Absicht der Bahn meldete und sie flugs einen 2. Kl. Wagen in den Zug einreihte.
Mir liegt eine Statistik der verkauften Fahrkarten aus dem Jahre 1907 vor: Rd. 85% der verkauften  Fahrkarten in Preußen waren für die 4. Klasse. Nicht umsonst war der Abteilwagen D3tr pr04 der zweihäufigste gebaute Personenwagen der KPEV.
Andere Länderbahnen hatten zur gleichen Zeit noch keine 4. Klasse. Diese wurde erst "zwangsweise" 1920 nach Gründung der DRG eingeführt. Und was machte Bayern & Co? Flugs zeichneten sie ältere 3. Kl. Wagen zur 4. Kl. um. Neue 4. Kl. Wagen gab es in großer Zahl von der DRB.  
Zurück zur Frage:
Die Reihenfolge bei der KPEV sah grob wie folgt aus: Lok-Packwagen (=Schutzwagen)- 3./4. Kl- 2.Kl- 3../4. Kl.
Beste Grüße
Klaus
Ich dachte bisher auch immer, dass es in Bayern vor dem Ende des Kaiserreichs keine 4. Kl. gegeben habe. Aber im v. Roell (Auflage 1923) findet sich unter dem Lemma "Vorortzug" folgende Bemerkung:

Zitat - Antwort-Nr.: | Name:


In Berlin (s. Berliner Stadtbahn und Berliner Hoch- und Untergrundbahn) und Hamburg verkehren die V., abgesehen von den dem Arbeiterverkehr dienenden Zügen III. Klasse, mit Wagen II. und III. Klasse, deren Abteile in solche für Raucher und Nichtraucher eingeteilt sind, während die Wagen III. Klasse außerdem Abteile für Reisende mit Traglasten (s.d.), für Reisende mit Hunden und seit dem Kriege auch Abteile für Kriegsverletzte führen. In Dresden sind die V. aus Wagen mit 3 Klassen, der II. bis IV. und in München aus Wagen mit II. und IV. Klasse, zum großen Teil aber nur aus Wagen IV. Klasse gebildet; daß hier die Ausrüstung der V. mit nur einer Klasse am weitesten vorgeschritten ist, erklärt sich aus der Vorliebe der Bevölkerung für die Benützung der bei der deutschen Tarifreform vom 1. Mai 1907 in den bayerischen Personenzügen eingeführten sog. III b Klasse, der jetzigen IV. Klasse.



Quelle:
http://www.zeno.org/Roell-1912/A/Vorortzug

Es gab also in München eine Klasse III b mit dem Komfort einer IV. Klasse.

LG, Andreas
Vielen Dank für die interessanten und sehr qualifizierten Hinweise zur Ausgangsfrage!

Für die Frühzeit passen also nach Richards Link @ 1 meine Überlegungen @ 0.
Später gewann die - inzwischen deutlich verbesserte - IV. Klasse immer mehr an Bedeutung.

Ich werde das bei meiner spät-kaiserzeitlichen KPEV-Zugbildung berücksichtigen!

Tolles Forum hier!

Es grüßt
Karl


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