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THEMA: Zeitungsmeldungen BD Hamburg 1920 und 1921

THEMA: Zeitungsmeldungen BD Hamburg 1920 und 1921
Startbeitrag
ENztäler - 30.12.11 00:51
Hi zusammeN,

im DSO-Forum habe ich zwei Beiträge über Zeitungsberichte aus der "Preetzer Zeitung" über die Eisenbahn bei der BD Hamburg ausgegraben, die die damaligen Verhältnisse von Eisenbahn, Wirtschaft, Land und Leuten sehr treffend widerspiegeln.

Wenn man ein Stündchen Zeit hat und die Meldungen in Ruhe durchliest, kann man erahnen, dass das damals bei weitem keine "gute alte Zeiten" waren (so wie es uns unsere Großeltern immer erzählt haben), zumindest nicht für mehr als 90% der Bevölkerung.


1920: http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?17,5624803,page=all
(lest mal die Zeitungsmeldung vom 26.10.1920 oder vom 01.11.1920 !)

1921 Teil 1: http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?17,5702776

1921 Teil 2: http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?17,5702778

Angesichts der Vielzahl an Entgleisungen und Unfällen muss die Eisenbahn durch den 1. Weltkrieg völlig abgewirtschaftet gewesen sein, die Bevölkerung litt an Armut, Arbeitslosigkeit, beginnender Inflation und es herrschte ein reger Diebstahl auf der Eisenbahn.

Verhältnisse, die man heute für fast nicht möglich hält, und die einen irgendwo ins Grübeln bringen.

Ich will Euch diese DSO-Beiträge nicht vorenthalten und wünsche Euch viel Spaß beim Schmökern



VG

Andreas




Hi zusammeN,

hier 2 Zeitungsmeldungen aus der "Preetzer Zeitung" aus dem Jahr 1922 über bewaffnete Überfälle auf Züge im Raum Köln:

http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?17,5757698

(3 1/2 Millionen Reichsmark im November 1922 entsprechen heute ca. € 4.400,00)


VG

Andreas
Hallo Andreas,
das ist hochinteressant und spannend zu lesen.
Freue mich auf weitere Berichte.

Gruß
Willi
Hallo Andreas,

eine sehr unterhaltsame Lektüre. Tausche einige deutsche gegen englische Worte aus und schon haben wir Wirtschaftsmeldungen von heute.

Gruß AnTic

Hi zusammeN,


hier gehts weiter mit den Eisenbahn-Zeitungsmeldungen der "Preetzer Zeitung" aus dem Jahr 1922:

Teil 1:
http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?17,5761854

Teil 2:
http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?17,5761856

Viel Spaß beim Schmökern


VG

Andreas
Vielen Dank. Der Vergleich mit "Wirtschaftsmeldungen von heute" ist schon weit hergeholt, die Leute waren am Ende des Krieges schlicht am Verhungern - davon sind wir heute zum Glück weit entfernt. Aber manches weist doch in die Zukunft:

Zitat - Antwort-Nr.: | Name:

2. August 1922
• Der Lastautoverkehr von Hamburg in die Provinz, besonders nach Kiel, gewinnt immer mehr Bedeutung. An manchen Tagen nehmen 20 und mehr Kraftwagen von Hamburg aus ihren Weg nach Norden. Besonders anregend für die Benutzung des neuen Verkehrs ist die bequeme Anfuhr, da die Autos die Güter beim Empfänger abladen.



Zitat - Antwort-Nr.: | Name:

18. November 1922
• Das auf der Strecke Heide-Karolinenkoog reisende Publikum führt lebhaft Klage über den einzigen dort laufenden Wagen vierter Klasse, ein Wagen der ältesten Bauart ohne Abort. Jn dem Raucherabteil befindet sich ein Ofen, der oft einen solchen Qualm verbreitet, daß es nicht zum Aushalten ist. Das Nichtraucherabteil kann nicht geheizt werden. Die Gasbeleuchtung des Wagens versagt, weil der Gasbehälter undicht ist. An Stelle des Gaslichts verbreiten zwei altersschwache Stallaternen während der Dunkelheit ein armseliges Licht, das auch noch ab und zu erlischt. Dann sitzen die Fahrgäste im Dunkeln und mögen wohl Betrachtungen darüber anstellen, wie schön es sich früher in Deutschland reisen ließ.



Zitat - Antwort-Nr.: | Name:

11. Dezember 1922
• Das anerkennenswerte Streben der Eisenbahnverwaltung, den heruntergewrtschafteten Betrieb allmählich wieder auf die Höhe zu bringen, wird leider durch pöbelhafte Hände in großem Maßstabe sabotiert. Wer genötigt ist, regelmäßig die Eisenbahn zu benutzen, der muß oft genug Beobachtungen darüber anstellen, in welcher traurigen Verfassung die Wagen sind. Es ist geradezu, als ob eine Rotte von zerstörungslustigen Burschen das Staatseigentum als vogelfreien Gegenstand betrachtet, mit dem man machen kann, was man will. Eine sinnlose Zerstörung, Beschädigung, Verschandelung neben der anderen! Da sind an den Jnschriften "Nicht öffnen, bevor der Zug hält!" Buchstaben ausgekratzt. Aus "Tür schließen!" wird "Türken schießen!" gemacht, und anderer Unfug mehr.



LG, Andreas
@ 5

Das Ende der Bahnsteigautomaten: Der Leasingvertrag, den die Bahn AG mit der TicketControl Berlin AG geschlossen hatte, ist zum 1. Mai gelöst. In Folge werden demnächst die TicketPrinter für PlatformCards von den Stationen rückgebaut.
siehe 21. April

Der Tarifausschuß des Sachverständigengremiums des Bundesverkehrsministeriums hält für die Realisierung der Gewinnprognose neben einer rigiden Ausgabendisziplin auch die Erhöhung der Tarife, und zwar sowohl das Pricingmodell für HumanTransport wie besonders für Cargo für unvermeidbar.
siehe 26. November

Zitat - Antwort-Nr.: | Name:

... dass das damals bei weitem keine "gute alte Zeiten" waren (so wie es uns unsere Großeltern immer erzählt haben),..



Hm, keiner meiner Großeltern hat die damaligen Zeiten jemals "gut" genannt. Ich bekam da eigentlich nur scheußliche Sachen erzählt, die ich selber so niemals erleben möchte.
:-/
Gerhard
Ich würde die "guten alten Zeiten" auch eher Ende der 50er/Anfang 60er bis in die 80er ansetzen. Nur was die Bahn angeht. Ansonsten war damals auch viel nicht in Ordnung - alte Nazis nach wie vor in Behörden, Polizei, Gerichten und der kalte Krieg war auch nicht ohne.

Aber jeder, der das Glück hatte, zwischen 1955 und 1980 geboren zu sein, sollte sich darüber bewußt sein: es gab in der jüngeren deutschen Geschichte keine bessere Zeit zum Leben. Davor hätten wir alle gute Chancen gehabt, in irgendeinem sinnlosen Krieg armselig vor die Hunde zu gehen, als Krüppel heimzukehren oder als total ausgebeuteter Arbeiter ein jämmerliches Leben zu führen. Nicht jeder wurde damals Fürst, Baron oder Kaiserin Sissi. Und das Recht stand immer noch deutlicher auf der Seite der Mächtigen und Reichen als heute.

Insofern - ich bin froh, jetzt zu leben.

Gruß,

Werner
Hallo,
als vor 1950 Geborener würde ich die guten alten Zeiten auch so ab Ende der fünfziger/Anfang der sechziger Jahre bis so etwa Ende der achtziger Jahre einordnen.
Selbst an die Zeit ab etwa Mitte der fünfziger kann ich mich noch sehr gut erinnern und habe dazu vieles positive  erlebt. Klar die DB war da noch im Schuß, auch die tolle Aufbruchstimmung überall war zu verspüren. Die große Masse hatte nicht viel und konnte erleben, daß man sich etwas leisten konnte, Eigentum schaffen. Die ganze Stimmung, trotz kaltem Krieg, war positiv und nach vorne gerichtet. Für mich die tollste, beste Zeit, auch mit weniger finanziellen Mitteln.
Grüße
H-W
Hi zusammeN,

hier gehts mir dem Jahr 1923 weiter:

http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?17,5804833

Viel Spaß beim Schmökern

VG

Andreas
Harte Zeiten. Hier noch eine andere Zeitungsmeldung (aus Berlin), die das verdeutlicht.

LG, Andreas

Zitat - Antwort-Nr.: | Name:

Berlin (Deutsches Reich) - Trittbrettfahrer
Am Nachmittag des 27. Juni 1922, dem Tag der Beisetzung von Walter Rathenau, legte das Personal der Berliner Verkehrsbetriebe die Arbeit nieder, und es verkehrten keine U-Bahnen, Straßenbahnen oder Omnibusse. Deshalb waren die Vorortzüge der Berliner Ringbahn völlig überfüllt, und viele Passagiere fuhren stehend auf den Trittbrettern der Abteilwagen mit. Aus dem Rucksack eines Trittbrettfahrers ragte eine lange Stange. In Höhe der Schönfließer Brücke zwischen den Bahnhöfen Gesundbrunnen und Schönhauser Allee sprang in einem Bogen die Tür, an der sich dieser Reisende festhielt, auf. Dadurch geriet die Stange ins Lichtraumprofil des Gegengleises und riss 40 Trittbrettfahrer eines entgegenkommenden Zuges in den Tod. Mehr als 30 Menschen wurden schwer verletzt.

@7:

Kann ich nur bestätigen - meine Großeltern hatten 1920 geheiratet; 1923 verlor mein Großvater seine Arbeit und als Textilkaufmann und meine Großmutter musste die rasch wachsende Familie mit der Hilfe ihrer Eltern und ihrem Job als Postbotin weitgehend alleine durchbringen - mein Großvater war die meiste Zeit als "Wanderarbeiter" kreuz und quer durchs Reich unterwegs, schickte nur unregelmäßig und wenig Geld nach Hause, bis er schließlich Mitte der 30iger Jahre bei der deutschen Arbeitsfront landete ... was ihm vermutlich das Leben gerettet hat, denn er wurde zum Ausbau der Verteidigungsanlagen nach Frankreich abkommandiert, während ihm zu Hause ein 110prozentiger "Gauleiter" das Leben zur Hölle machte (mein Großvater war Halbjude).

Gruß
Peter


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